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Meinung

Gastbeitrag in der FAZ zur Eurokrise

In den vergangenen Tagen habe ich einen Gastbeitrag zur Euro-Krise für die Frankfurter Allgemeine Zeitung geschrieben. Darin vertrete ich die Meinung, dass die Schuldenkrise in Europa auch eine europäische Demokratiekrise ist. Eurobonds würden diese Vertrauenskrise aus meiner Sicht noch verstärken.

Jeden Tag eine Hiobsbotschaft – dieser Tage ist man daran gewöhnt, die Entwicklung der Kapitalmärkte angespannt zu verfolgen. Deren Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit einiger europäischer Staaten ist erheblich belastet. Eine Vertrauenskrise besteht jedoch nicht nur an den Märkten, sondern genauso bei den Bürgern. Nicht nur die Gemeinschaftswährung verliert an Akzeptanz. Erstmals ist die Zustimmung zum grundlegenden Ziel der europäischen Integration akut gefährdet. Das Vertrauen der Deutschen in die Institutionen der Europäischen Union hat im vergangenen Jahr einen „ruckartigen Substanzverlust“ (Allensbach) erlitten. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir uns eingestehen müssen: Die Schuldenkrise in Europa ist auch eine europäische Demokratiekrise. Erstere lässt sich nur nachhaltig überwinden, wenn wir Letztere lösen. Denn eine Währung ist nur so kraftvoll wie das Vertrauen ihrer Bürger in die Währungsgemeinschaft und ihre Institutionen.

Der Lackmustest für die Stabilisierung der Eurozone ist daher die Frage, ob sie die gesamteuropäische Öffentlichkeit und ihre nationalen Teilöffentlichkeiten zu überzeugen vermag. Wer nur mit technischer Praktikabilität argumentiert, übersieht die Erosion des Vertrauensfundaments. Deswegen ist es richtig, dass die Bundeskanzlerin und der französische Präsident um neue Zustimmung für das europäische Projekt werben und über die akute Bekämpfung der Krise und ihrer unmittelbaren Ursachen hinaus denken. Ihr Vorschlag einer EU-Wirtschaftsregierung verspricht den Bürgern Solidität. So richtig die inhaltliche Stoßrichtung aber auch ist, so gefährlich ist die institutionelle Anlage des Vorstoßes.

Die EU-Staats- und -Regierungschefs tagen heute schon viel zu oft im Hinterzimmer des europäischen Hauses. Dort auch noch eine Wirtschaftsregierung ansiedeln zu wollen hieße, den dünnen Faden der Legitimation bis zum Zerreißen zu spannen. Transparenz würde zur Mangelware. Denn die Vorstellung, eine effektive Kontrolle dann allein durch die Parlamente der Mitgliedsländer verwirklichen zu können, ist eine Illusion. Ohne sie ist das Vertrauen der Bürger jedoch nicht zu gewinnen. Es ist schon richtig, die Wirtschaftspolitik unseres Währungsraumes braucht einen gemeinsamen Rahmen. Die dafür neu zu schaffende Institution muss aber mit der Kommission verzahnt und vor allem durch das Europäische Parlament legitimiert werden.

 

So sinkt höchstens die Zustimmung zur Rettungspolitik

Eine Wirtschaftsregierung ist gut – aber nur mit Kontrolle. Dass das bei dieser Gelegenheit auch endlich strikt repräsentativ zu wählende Parlament diese Funktion erfüllen und ein zuverlässiger Verbündeter der Bürger sein würde, beweist sein Eintreten für automatische Sanktionen in einem verschärften Stabilitätspakt schon heute. Die Rolle der Abgeordneten zu stärken, wäre zugleich ein wichtiger Beitrag, auch die Nordeuropäer und vor allem Großbritannien von der Teilnahme an einer tieferen wirtschaftlichen Integration zu überzeugen. Deren Einfluss würde im Übrigen der inhaltlichen Prägung selbiger nur guttun.

Klar ist: Für das Vertrauen der gesamteuropäischen Öffentlichkeit ist es heute schon zwingend, die Solidarität in den Geberländern nicht zu überfordern. Alleine mit Rettungsfonds lassen sich die Probleme ohnehin nicht erschlagen, mit immer größeren Summen sinkt höchstens die Zustimmung zur Rettungspolitik. Es kommt jetzt vielmehr darauf an, genauso kraftvoll die Ursachen der Schuldenkrise anzugehen – vor allem durch einen verschärften Stabilitätspakt, automatische Sanktionen und Schuldenbremsen in den Verfassungen aller Länder. Nicht nur die Wahlen in Portugal beweisen, dass es in den Nehmerländern durchaus die klare Bereitschaft für Reformen gibt.

 

Feuer nicht mit Reisig ersticken

Eurobonds hingegen wären nicht nur in der Sache falsch, weil man ein Feuer nicht mit Reisig erstickt bekommt. Viel fataler wäre noch die Verstärkung der Vertrauenskrise. Ein Hilfskredit in akuter Krise mag bei den Steuerzahlern in den Geberländern auf den ersten Blick Misstrauen auslösen. Wird er aber im Einzelfall von den nationalen Parlamenten genehmigt und mit einem konkreten und glaubwürdigen Konsolidierungsprogramm verbunden, so trägt ihn die europäische Solidarität und er kann im allseitigen Interesse liegen. Völlig anders sieht es mit der Zustimmung aus, wenn mittels gemeinsamer Bonds die Verschuldung weniger leistungsfähiger Länder generell erleichtert – man könnte auch sagen: belohnt – wird.

Denn eine neue Generation europäischer Bürger lässt sich nicht mehr mit der Formel ,Europa als Friedensprojekt' pauschal vom Sinn der weiteren Integration überzeugen. Das heißt aber noch lange nicht, dass den Europäern der Idealismus abhandengekommen wäre. Das neue Narrativ einer immer engeren Union ist vielmehr Europas Stimme und Einfluss in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts. Hieraus folgt, wie ein besseres Europa zukünftig aussehen muss, um das Vertrauen seiner Bürger neu zu gewinnen: geprägt von finanzieller Stabilität und innovativer Wettbewerbsfähigkeit, anziehend für kluge Köpfe aus aller Welt und engagiert für eine Kultur der Freiheit, Demokratie und Transparenz. Organisatorisch gibt diese Vision eine klare Perspektive für die Weiterentwicklung der EU. Brüssel muss föderal und subsidiär auf fragwürdige Zuständigkeiten wie die Agrarpolitik verzichten und erhält dafür mehr Kompetenzen in der Außenpolitik und der wirtschaftspolitischen Koordinierung. Verglichen mit heute, brauchen wir also ein Europa der besseren Institutionen und der klareren Regeln, an die sich künftig jeder hält. Nur so wird es ein Europa des inneren Zusammenhalts geben, das (auch) künftige Krisen zu meistern vermag.

 

Meinen Gastbeitrag können Sie auch hier finden.